Pfingstmontag, 09.06.2014

Predigt Apg 2, 22-23,32-33,36-39 Pfingstmontag: Gnade sei mit Euch von Gott, unserem Vater und unserem Herrn und Bruder Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde!

Erinnern Sie sich noch an die Fernsehsendung „Domino Day“? Von 1998 bis 2009 fand einmal im Jahr dieses Großereignis im Fernsehen statt. Über Monate wurden in einer Halle Dominosteine aufgebaut in einem so engen Abstand zueinander, dass beim Umsturz des ersten eine Kettenreaktion ausgelöst wurde, bis dann irgendwann alle Steine umgestürzt waren. Dabei ging es immer auch darum einen neuen Rekord bei der Anzahl der gefallenen Steine aufzustellen: Beim ersten Domino-Day waren es 2.300 000 aufgebaute Steine, beim letzten 4. 800 000. Und da ein einfaches Umfallen der Steine für das Publikum zu langweilig gewesen wäre, wurden Bilder und Figuren aufgebaut, die sich nach dem Umstürzen offenbarten oder auch Hindernisse, die überwunden werden mussten. Diese hielten dann oft das Publikum in Atem: Schaffte das eingebaute Pendel es tatsächliche den nächsten Domino-Steine anzustoßen, und damit die Kettenreaktion erneut auszulösen oder endete hier schon der Rekordversuch? Und natürlich gab es auch oft Umwege oder eine zweite Möglichkeit eine einmal unterbrochene Kette an anderer Stelle wieder auszulösen, so dass doch noch viele Steine fallen konnten.


Pfingsten, das ist Domino-Day der Kirche; Domino-Day der Botschaft Jesu; Domino-Day des Glaubens.

Da sitzen die Jünger zusammen, erzählen sich vielleicht noch einmal, was sie alles mit ihrem Lehrer und Meister erlebt haben, aber wissen auch nicht so recht, wie es nun mit ihnen weitergehen soll. Da kommt der Heilige Geist über sie, heißt es in der Apostelgeschichte. Irgendetwas Seltsames geschieht mit diesen Jüngern, sie laufen auf die Straße und fangen an zu predigen. Diese meist ungebildeten Fischer und Bauern aus Galiläa sprechen plötzlich Fremdsprachen, in denen sie von Jesus erzählen. Und Petrus tut sich ganz besonders hervor. Er hält den Zuhörern eine Predigt, bei der heutzutage so manches Gemeindeglied einschlafen dürfte, auch wenn sie mit einem Paukenschlag beginnt. „Ihr seid schuld am Tod des Jesus von Nazareth.“, wirft er ihnen vor. Zwar mildert er diese Aussage ab, indem er betont, dass alles Gottes Plan war, doch der Vorwurf der direkten Beteiligung bleibt. Ob das alle wirklich ins Herz getroffen hat, wie die Apostelgeschichte später behauptet, wage ich zu bezweifeln. Die anwesenden Menschen aus Ägypten oder Syrien haben wahrscheinlich nur mit den Schultern gezuckt. Sie hatten ja nicht sieben Wochen vorher „Kreuzige ihn!“, gerufen.


Dann geht es langweilig weiter: Petrus hält einen dogmatischen Vortrag, was mit diesem Jesus weiter geschehen ist. Wir haben das kürzer in unserem Glaubensbekenntnis: gekreuzigt, gestorben, begraben, am dritten Tage auferstanden, aufgefahren in den Himmel, er sitzt zur rechten Gottes. Und dann noch einmal der Vorwurf: „Den Jesus, den ihr gekreuzigt habt“. Und doch ist diese Predigt der Anstoß des ersten Steines in einer Glaubenskette. „Die Zuhörer waren von dem, was Petrus sagte bis ins Innerste getroffen“. „bis ins Herz“ übersetzt Luther. Ob es wirklich an der Predigt des Petrus lag? Oder ob der Heilige Geist da kräftig Spiritus ins kleine Flämmchenchen Glauben gegossen hat? Nun geht es weiter mit der Kettenreaktion: „Was sollen wir tun?“, fragen die Zuhörer. „Kehrt um!“ ruft Petrus. Für mich tut sich hier das erste Hindernis in der Kettenreaktion auf: Hier hätten die Zuhörer einfach gehen können. Die Meder, Parther, Kappadozier hatten nichts mit Jesu Tod zu tun – wovon sollten sie umkehren? Und die Bewohner Jerusalems konnten das Geschehene nicht zurücknehmen.


Doch sie gehen nicht. Vielleicht trifft der Ruf des Petrus zur Umkehr die Menschen in einem Gefühl oder einer Stimmung, in der sie auf der Suche nach etwas Neuem sind. Vielleicht merken sie, dass die alten Wege nicht weiter führen.


Ich habe acht Jahre in einer Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle gearbeitet. Oft sind Einzelne oder Paare mit einem diffusen Gefühl der Unzufriedenheit gekommen. Sie haben gemerkt, irgendetwas stimmt nicht in ihrem Leben, in ihrer Partnerschaft, aber konkret konnten sie es oft nicht benennen. Nicht selten waren sie so in festen Ritualen ihres Lebens gefangen, dass sie immer mehr des Gleichen taten, um die Situation zu bessern. Doch es wurde schlimmer. Erst eine Umkehr aus diesen Bahnen brachte Veränderung. Da war zum Beispiel der Mann, der seiner Frau jeden Wunsch von den Augen ablas und sich in allem nach ihr richtete. Sie hingegen kümmerte sich wenig um ihn, ging gerne und oft aus, auch mit anderen Männern. Je mehr sie sich von ihm entfernte, desto mehr kümmerte er sich um sie. Und wurde für sie noch langweiliger. Als er endlich anfing, sich um seine Wünsche und Bedürfnisse zu kümmern, sich mit Freunden traf, sich Hobbies zulegte, änderte sie ihr Verhalten. Sie verbrachte ihre Zeit wieder mit ihm, interessierte sich für seine Ideen, Interessen und Gefühle. Oder der Vater, der mit seinem ältesten Sohn nicht klarkam, weil der Pubertierende ihn ständig verbal und manchmal auch körperlich angriff. Und so ging er dem Sohn aus dem Weg, um keine Angriffsfläche zu bieten. Dann haben die beiden, mehr zufällig als geplant, ein gemeinsames Wochenende in einer einsamen Hütte verbracht, bei dem sie sich, wie der Vater es ausdrückte „auch körperlich auseinandersetzten“ und plötzlich war da so etwas wie ein Zusammengehörigkeits-Gefühl zwischen den beiden. Der Vater hatte verstanden, dass der Sohn einen Sparrings-Partner suchte, einen Vater, mit dem er sich auseinander setzen konnte und keinen, der immer nur ausweicht.


„Macht es anders“, sagt auch Petrus. „Nagelt nicht die ans Kreuz, die euch in eurer Selbstsicherheit stören, sondern hört ihnen zu und begebt euch auf einen neuen Weg.“ Und dieser neue Weg führt über die Taufe.

„Lasst Euch taufen, dann wird Gott euch eure Sünden vergeben und ihr werdet die Gabe des Heiligen Geistes bekommen“, verspricht Petrus.


Da sind wir heute weiter. Taufe wird in der evangelischen Kirche nur noch bedingt als Akt der Sündenvergebung verstanden. Da wir ja meist kleine Kinder taufen, ist ja nur noch schwer verstehbar, welche Sünden ihnen in der Taufe vergeben werden müssten.(Ich verzichte an dieser Stelle über einen Monolog über die Erbsünde). Taufe ist vielmehr ein Zeichen der Liebe Gottes, die uns in der Taufe entgegenkommt. Wir haben noch nichts geleistet und Gott sagt schon Ja zu uns. Im Leben der meisten Menschen ist das ihr ganz persönlicher erster Dominostein des Glaubens der da fällt und der eine Kettenreaktion ein ganzes Leben lang auslösen kann.


Eine Geschichte hat mich während meines Theologiestudiums, in dem ich sicher viel gelernt und auch vieles wieder vergessen habe, so sehr beeindruckt, dass ich sie bis heute erinnere: Martin Luther hat, wenn er von Glaubenszweifeln und Depressionen, die er wohl auch gut kannte, befallen wurde, mit Kreide auf seinen Schreibtisch den Satz: „Ich bin getauft!“ geschrieben. Dieser Satz reichte, um ihn wieder neue Kraft zu geben, die Depression abzuwenden. „Ich bin getauft!“ – Gott hat ja zu mir gesagt. Einfach „Ja“, kein „ja, aber“ und kein „Ja, wenn“. Auch das ein Dominostein in der Kette des Glaubens. Ein Dominostein, der vielleicht dann fällt, wenn man längst denkt, nun geht es nicht weiter, hier hört alles auf. „Ich bin getauft“ als neuer Anstoß, der die Kettenreaktion erneut auslöst.


Nach der Predigt des Petrus fallen ganz viele Glaubenssteine: 3000 Menschen lassen sich taufen. Vielleicht hat Lukas auch etwas übertrieben bei der Zahl. Aber Tatsache ist, dass es ja weiterging, auch noch lange nach dem ersten Pfingstfest. Es geht immer noch weiter mit diesem Domino-Day, denn auch heute noch lassen sich Menschen taufen. Gut, manchmal kommt nach der Taufe nichts nach. Da gibt es keine Kettenreaktion des Glaubens. Aber oft genug wundere ich mich, wie Menschen plötzlich doch noch anfangen über den Glauben, über ihre Beziehung zu Gott nachzudenken; Menschen, bei denen ich das nicht vermutet habe. Der Geist weht eben wo er will. Und das ist, Gott sei Dank, anders als beim Domino-Day im Fernsehen. Dort wurde die Halle hermetisch abgeriegelt, so dass kein Luftzug von außen einen Stein zum Fallen bringen konnte. Wir Menschen leben aber nicht hermetisch abgeriegelt, so dass das freundliche Wort eines anderen Menschen, ein Gebet oder auch nur ein offenes Ohr einen Dominostein im Glauben eines anderen umwerfen kann.


Übrigens: Beim letzten Domino-Day 2009 stürzten 4.345 027 Steine. Doch anerkannt wurde dieser Rekord nie. Danach wurde der Domino-Day eingestellt. Getaufte Christen gibt es 2,26 Milliarden. Da gibt es doch noch Hoffnung, dass wir unseren Domino-Day, das Pfingstfest, noch viele Jahre feiern werden und das noch viele Glaubenssteine fallen werden.


Und der Friede Gottes, der höher ist als all unser Verstehen und Begreifen, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen


Pfarrerin Martina Lembke-Schönfeld

Apostelgeschichte 2, 22-23, 32-33, 36-39

Ihr Leute von Israel, hört her! Bei dem, was wir euch zu sagen haben, geht es um Jesus von Nazareth. Durch diesen Mann hat Gott – wie ihr alle wisst – in eurer Mitte mächtige Taten vollbracht, Wunder gewirkt und außergewöhnliche Dinge getan. Damit hat er ihn euch gegenüber als seinen Gesandten bestätigt.


23Was dann geschah, wusste Gott schon lange im Voraus; er selbst hatte es so geplant: Jesus wurde verraten und an euch ausgeliefert, und ihr habt ihn durch Menschen, die nichts vom Gesetz Gottes wissen, ans Kreuz schlagen und töten lassen.


32Ja, diesen Jesus hat Gott auferweckt; wir alle sind Zeugen dafür.


33Er ist in den Himmel emporgehoben worden, um den Ehrenplatz an Gottes rechter Seite einzunehmen, und hat von seinem Vater die versprochene Gabe erhalten, den Heiligen Geist. Diesen Geist hat er nun über uns ausgegossen, und das ist es, was ihr hier seht und hört.


36Es steht also unzweifelhaft fest, und ganz Israel soll es erkennen: Gott hat Jesus zum Herrn und Messias gemacht – den Jesus, den ihr gekreuzigt habt.«


37Die Zuhörer waren von dem, was Petrus sagte, bis ins Innerste getroffen. »Was sollen wir jetzt tun, liebe Brüder?«, fragten sie ihn und die anderen Apostel.


38»Kehrt um«, erwiderte Petrus, »und jeder von euch lasse sich auf den Namen von Jesus Christus taufen! Dann wird Gott euch eure Sünden vergeben, und ihr werdet seine Gabe, den Heiligen Geist, bekommen.


39Denn diese Zusage gilt euch und euren Nachkommen und darüber hinaus allen Menschen auch in den entferntesten Ländern – allen, die der Herr, unser Gott, zu seiner Gemeinde rufen wird.«

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