Gott schenke uns ein offenes Ohr für die Worte des Lebens und ein lebendiges Wort für unser Ohr.
Amen
Liebe Gemeinde,
ein recht ärgerlicher Bibeltext erwartet Euch heute zur Predigt. Genauer vielleicht ein überraschend ärgerlicher Text.
Gerade hatte Jesus den Leuten noch die anrührende Geschichte von dem verlorenen und wiedergefundenen Sohn erzählt. Die Geschichte vom barmherzigen Vater, der wie Gott auch ohne Maß Menschen immer liebt – trotz allem.
Dann aber ohne Vorwarnung, so berichtet Lukas im 16. Kapitel, erzählt Jesus seinen Freundinnen und Freunden diese eigentümliche Geschichte:
Jesus wandte sich zu seinen Jüngern und sagte: »Ein reicher Mann hatte einen Verwalter. Über diesen gingen Klagen bei ihm ein; es hieß, er verschleudere ihm sein Vermögen.
Da ließ er ihn rufen. ›Was muss ich von dir hören?‹, sagte er zu ihm. ›Leg die Abrechnung über deine Tätigkeit vor; du kannst nicht länger mein Verwalter sein.‹
Der Mann überlegte hin und her: ›Was soll ich nur tun? Mein Herr wird mich entlassen. Für schwere Arbeit tauge ich nicht, und zu betteln schäme ich mich. Doch jetzt weiß ich, was ich tun kann, damit die Leute mich in ihren Häusern aufnehmen, wenn ich meine Stelle als Verwalter verloren habe.‹
Nacheinander rief er alle zu sich, die bei seinem Herrn Schulden hatten. ›Wie viel bist du meinem Herrn schuldig?‹, fragte er den ersten. ›Hundert Fass Olivenöl‹, antwortete der. Darauf sagte der Verwalter: ›Hier, nimm deinen Schuldschein, setz dich schnell hin, und schreib statt dessen fünfzig.‹
Dann fragte er den nächsten: ›Und du, wie viel bist du ihm schuldig?‹ – ›Hundert Sack Weizen‹, lautete die Antwort. Der Verwalter sagte zu ihm: »Hier, nimm deinen Schuldschein, und schreib stattdessen achtzig.‹
Es gibt Lug und Trug gibt in der Welt. Das ist auch zur Zeit Jesu nichts Besonderes. Es müsste nicht ausführlich erzählt werden.
In der Welt des Geschäfts und der weltweiten Kapitalvermehrung herrschen raue Sitten und vieles geht sicher nicht mit rechten Dingen zu. Man denke nur an die letzte Finanz- und Eurokrise. Dabei ging es auch um skrupellose Banken und deren Manager, die sich das Geld nur so in die Taschen stecken.
Jesu Gleichnis von dem untreuen Verwalter, der sich mit großem Geschick neue Freunde sucht, erzählt also eigentlich nichts Neues. Es wäre nicht der Erwähnung wert, ‑ hätte nicht Jesus seiner Geschichte nicht noch einen Satz hinzugefügt.
Als sich nämlich alle gerade fragen, warum Jesus wohl diese Geschichte erzählt, die doch nur von dem gewöhnlichen Lug und Trug berichtet, da fügt er abschließend hinzu:
Da lobte der Herr den ungetreuen Verwalter dafür, dass er so klug gehandelt hatte.
Es stimmt, die Menschen dieser Welt sind im Umgang mit ihresgleichen klüger als die Menschen des Lichts
Hier läuft aber auch alles gegen den Strich. Hier ist offensichtlich nicht von Barmherzigkeit die Rede - und auch nicht von Reue über das Unrecht - nicht von Entschuldigung und auch nicht von Selbstlosigkeit.
Hier wird einer gelobt und für klug erklärt, der seine Haut rettet. Ein Vergleich wird gewagt, der dem Bibelkundigen für ein paar Augenblicke den Atem nehmen kann: Der Verwalter ist klug, er hat die Gesetze der Welt und des Marktes begriffen und wendet sie ohne Zögern auf sich selber an. Er benutzt seinen Einfluss und seine Macht, um seinen Kopf und die Köpfe noch ein paar anderer aus der Schlinge zu ziehen. Einer Schlinge, die er selber mitgeknüpft hatte.
Das ist klug, sagt Jesus, auch wenn es vielleicht nicht rechtens ist. Indem er sich rettet, rettet er ein paar noch Schwächere gleich mit. Er macht sich die Richtigen zu Freunden. Er sorgt an der richtigen Stelle vor. Das lobt Jesus. Er lobt nicht den Betrug. Aber er schätzt diesen Einfall in diesem einen, ganz besonderen Falle: Der Verwalter ist zwar untreu, aber er hat Weitblick. Er rettet sich nicht auf Kosten anderer; er rettet sich und andere auf Kosten des einen, der diese Ungerechtigkeit verschmerzen wird, wenn er sie überhaupt merkt bei seinem ganzen Reichtum.
Jesus kalkuliert das ein, vielleicht mit einem Augenzwinkern: Der Reiche wird es verschmerzen.
Es ist als würde ein Topmanager einer deutschen Großbank einigen großen Kreditnehmern der Bank jeweils die Hälfte ihrer Kreditschulden erlassen.
Und Jesus sagt, das ist o.k.? – Das gibt’s doch nicht! -
Allerdings: Jesus war nicht weltfremd. Im Gegenteil: Er bemerkte, was um ihn herum vorging. Er nahm das Leben ernst, auch das rauere Leben der Geschäftswelt. Die Geschichte, die Jesus erzählt, spielt mitten im Leben rauer Geschäfte und manchmal gnadenlosen Rechnens. Plötzlich, als es einem an den Kragen zu gehen droht, entdeckt der seine Schwächen und alle die noch Schwächeren neben ihm.
Nun kommt seine Klugheit, erzählt Jesus. Er macht sich endlich die richtigen Freunde, die ihn aufnehmen werden in ihr Haus.
Und Jesus lenkt unsere Aufmerksamkeit außerdem auf etwas, was im rauen und sehr geschäftigen Alltag nur zu schnell untergeht: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon. Nicht aus Freude an der Ungerechtigkeit, sondern damit, wenn alles zu Ende geht, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten.
Wenn ihr schon rechnen müsst in dieser Welt, dann rechnet wenigstens richtig. Rechnet damit, dass endlich alles abgerechnet wird. Rechnet nicht nur von jetzt auf gleich, von heute auf morgen oder von der Hand in den Mund. Spekuliert nicht allein auf ein schnelles Schnäppchen, sondern rechnet weitsichtiger. Rechnet so, dass am Ende, viele Menschen aufstehen werden und euch freudig die Hand reichen. Macht keine einzige Rechnung ohne diesen Blick auf das Ende.
Klug ist, wer darum weiß, dass einmal alles ans Licht kommen wird.
Klug ist, behauptet Jesus, wer das Leben bedenkt und sucht und gestaltet, und zwar vom Ende her.
Wenn wir heute anfangen, unser Leben zu planen, dann heißt das immer auch Vorsorge. Es gibt wohl niemanden, der nicht irgendwelche Versicherungen abgeschlossen hat. Wir versichern unseren Besitz, dass er nicht gestohlen, verbrannt oder durch Wind und Wetter beschädigt wird. Wir versichern uns selbst, treffen Vorsorge gegen mögliche Unfälle. Ganz selbstverständlich ist es, bei Krankheit und Schmerzen einen Arzt aufzusuchen und dabei zu wissen, dass die Rechnung – jedenfalls der Hauptanteil – von der Krankenkasse bezahlt wird. – Einfach so. Das finde ich praktisch.
Jede und jeder sorgt – inzwischen mehr und mehr privat ‑ für seine Altersversorgung. Die Rente soll für die Erhaltung des Lebensstandards ausreichen. Mit einer Lebensversicherung ist im Zweifelsfall auch für die Nachkommen gesorgt. Wir rechnen lieber mit dem Schlimmsten und versuchen uns dagegen zu versichern – bis hin zur Sterbeversicherung.
Das alles ist bestimmt nicht sinnlos. Und doch habe ich so manches Mal den Eindruck: Mit dieser Sorge um die Absicherung unseres Lebens und all dem, was wir dafür zu brauchen meinen, da verlieren wir vielleicht eines aus dem Blick. Eine Lebensversicherung kann uns niemals unser Leben absichern. Ich muss das genauer sagen: Sie kann die Qualität unseres Lebens nicht gewährleisten, nicht unsere Freude, nicht das Empfinden, ein erfülltes Leben zu führen, nicht das, was uns selbst gut tut. Dazu gehört auch Muße zu üben, Pausen zu machen, gerade für die, die dazu neigen zu viel zu tun und manchmal nur noch zu arbeiten. Wer nur noch machen will, macht meist gar nichts Vernünftiges mehr.
Zur Lebensqualität gehören die Gespräche mit guten Freunden, die eigenen – manchmal tiefen Gedanken. All die Begegnungen mit den anderen, in der Familie, den Nachbarn, den Kollegen, mit den Menschen hier in der Gemeinde – Es ist doch klar, die kann man nicht versichern.
Da wird man immer wieder überrascht, - meistens positiv, und manchmal auch verletzend.
Manche Menschen, die sehr verletzt worden sind, ziehen sich auf Dauer von anderen zurück. Sie sichern sich ab vor den anderen. Sind oft abweisend und verschlossen, manchmal auch besonders lustig und ziehen sich auf diese Weise auch so etwas wie einen Schutzpanzer an. Denn sie haben Angst, weiter verletzt zu werden. Manche fliehen in die Arbeit und Geschäftigkeit.
... und doch spüren sie, wie ihr Leben dadurch ärmer wird, wie sie sich nach Gemeinschaft mit den anderen sehnen. – Da helfen weder ein gut gefülltes Bankkonto noch eine Lebensversicherung. Mag das alles beruhigen- glücklich macht es jedenfalls nicht.
Mich hat die Klugheit des Verwalters an solche Lebenssituationen und Lebenseinstellungen erinnert. Weitblick in solchen Lagen wäre, seine Ängste zu überwinden, auf die anderen zu zugehen. In Beziehungen zu investieren und Freundschaften zu pflegen. Offen zu sein für andere, weil man sich doch selbst danach sehnt. Weil man eben sein Leben doch nicht in sich oder seiner Wohnung verschanzt, abweisend und ohne Begegnungen verbringen will. Weil man glücklich sein will und dies nur mit anderen zusammen sein kann. Weitblick heißt dann auch, nicht mehr arbeiten und machen wollen, als man tatsächlich gut und gediegen schaffen kann.
Solche Klugheit, sie kommt daher, dass man einsieht: Dieses Leben, mein Leben, wird ein Ende haben. Es kommt ein Punkt, an dem ich mir nichts mehr vormachen kann. An dem die Karten auf den Tisch müssen. Möchtet ihr am Ende eures Lebens dastehen und sagen müssen: Tja, ich habe mich mein Leben lang nur versteckt, zurückgezogen, habe kaum jemanden gekannt. Ich habe die ganze Zeit gearbeitet und gerackert, immer am schnellen Erfolg orientiert... eigentlich habe ich gar nicht richtig gelebt?
Ich will das jedenfalls nicht. Ich glaube, unser aller Leben ist getragen von einer zentralen Möglichkeit: Nämlich vom Vertrauen. Ohne dieses Vertrauen, das ich als Kind durch die Nähe meiner Mutter und meines Vaters erlernte, kann mein Leben nur mehr oder weniger unglücklich werden.
Ich glaube weiter: Ich kann Vertrauen wagen. Gerade, wenn ich mir je neu vergegenwärtige, dass Gott in mir lebt und seine Liebe mich in meinem Leben trägt. Es schafft die Gewissheit, dass mir nichts letztlich Gefährliches begegnen kann.
Sich in Gottes Armen zu wissen und sich immer wieder daran zu erinnern, das ist klug. Das ist der Boden, der Vertrauen zu mir selbst und auch zu den anderen wachsen lässt. Es lässt mich offen sein und in echten Beziehungen leben, Freundschaften pflegen und anfangen, die mich tragen. Es lässt mich auch ein gutes Maß finden zwischen Arbeit und Pause.
Das ist wirklicher Weitblick. Es ist zugleich eine Investition ins Leben und ins Glück.
Amen
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