Konfirmation am 18.05.2014

Predigt zur Konfirmation Kol 3, 12-15: Gnade sei mit Euch von Gott, unserem Vater und unserem Herrn und Bruder Jesus Christus!

Liebe Konfirmanden und Konfirmandinnen, liebe Festgemeinde!


An Tagen wie diesen mag ich meinen Talar. Diesen langen schwarzen mantelähnlichen Umhang, der weder modisch noch chic ist mit diesem weißen Beffchen, das heutzutage gar keine Funktion mehr hat – bei Frauen schon mal gar nicht, weil wir ja nun mal keinen Schutz vor einem Bart brauchen.


Und dass ich ihn mag, liegt nicht daran, dass ich so gerne konfirmiere – im Gegenteil, ich bin immer froh, wenn ich den Konfirmationsgottesdienst unfallfrei überstanden habe und meist bin ich ziemlich geschafft, weil es richtig kräftezehrend ist, 13 Konfirmanden zu segnen. Außerdem kommt man unter so einem Talar auch ganz schön ins Schwitzen. Trotzdem mag ich meinen Talar an Tagen wie diesen, weil ich mir, ich glaube als Einzige in dieser Kirche, wenigstens keine Gedanken darüber machen musste, was ich heute anziehen werde. Solange die Schuhe darunter sauber sind und das Stück Hosenbein, das man noch sehen kann heil und sauber, bin ich passend gekleidet.


Bei Euch sieht das hingegen anders aus. Eine der ersten Fragen, die Eltern auf Elternabende immer stellen, ist die nach dem Dresscode: „Gibt es da besondere Vorschriften?“ Eigentlich gibt es die nicht, und ihr einigt euch untereinander ja meist selber. Das scheint heute einfacher zu sein als noch zu meinen Konfirmandenzeiten. Ich wollte z.B. auf gar keinen Fall ein Kleid tragen zur Konfirmation. Andere hatten dagegen eine Abneigung gegen Schwarz. Heute gibt es dagegen die Übereinkunft, dass das passende Outfit festlich sein sollte, nicht zu bunt, etwas besonderes, aber auch nicht völlig aus der Reihe fallend. Und die Konfirmanden heutzutage möchten auch möglichst chic und erwachsen darin aussehen; Protestkleidung bei der Konfirmation ist schon lange out.


Ich denke, die meisten von euch haben sich schon vor langer Zeit Gedanken gemacht, was sie heute tragen wollen und damit angefangen, das Passende zu suchen. Die Mädchen vielleicht etwas mehr als die Jungen. Kleider und Anzüge, Hosen und Jacken wurden anprobiert und verworfen. Manchmal wurde vielleicht etwas Tolles gefunden, scheiterte dann aber am Veto der Eltern, die sich nicht für einen Tag komplett verschulden wollten oder das Gewählte dann doch für nicht passend erklärten. Aber schließlich habt ihr alle euren Anzug, euer Kleid für diesen Tag gefunden und ihr fühlt euch hoffentlich wohl darin. Denn das ist ja immer die zweite Schwierigkeit, dass man sich in diesem chicen Outfit nicht zu sehr verkleidet vorkommt. Für jemanden, der immer nur in Baggy-Hosen, Sweater oder Hooti und Sneakers rumläuft, sind Krawatte und Anzugjacke schon gewöhnungsbedürftig. Zu meiner Konfirmationszeit wurden dann die Sachen auch gerne noch ein zwei Nummern größer gekauft, damit man sie zwei Jahre später beim Schulabschluss oder dem sechzigsten oder siebzigsten Geburtstag der Oma auch noch tragen konnte. Und so wurde auch nach außen deutlich, dass das Erwachsenenleben, das ja mit der Konfirmation als erstem großen Fest auf dem Weg zur Selbständigkeit beginnt, dass das Erwachsenenleben noch nicht so ganz passt, sondern die Konfirmanden erst noch hineinwachsen müssen, so wie in ihre Konfirmationssachen.

Der Predigttext für den heutigen Sonntag redet auch vom anziehen, allerdings sind das merkwürdige Kleidungsstücke, die er benennt. Ich lese aus dem Kol. 3, 12-15: So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld; und ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr. Über alles zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit. Und der Friede Christi, zu dem ihr auch berufen seid in einem Leibe, regiere in euren Herzen; und seid dankbar.


Zieht nun an herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut und Geduld. Über alles zieht an die Liebe. Wenn das so einfach wäre! Wenn man einfach in einen Laden gehen und diese Dinge kaufen und anziehen könnte, wie eine Hose, ein Kleid, eine Jacke. Oder wenn man nach der Konfirmation automatisch mit Geduld und Freundlichkeit und besonders mit der Eigenschaft der Vergebung ausgestattet wäre. Leider ist das nicht so; ihr merkt das ja selber an uns Erwachsenen; und ehrlich gesagt, manchmal ist schon was Wahres dran, dass nirgendwo so erbittert gestritten wird wie in Kirchengemeinden.


Und für viele Menschen sind Sanftmut, Geduld, Freundlichkeit, und Demut keine Eigenschaften, die sie wirklich schätzen. An anderen vielleicht, aber im eigenen Leben geht es darum, sich möglichst durchzusetzen, seine Ziele rasch und oft auch rücksichtslos zu erreichen und stark zu sein, damit man nicht den Kürzeren zieht. Wer sich nicht genug ins rechte Licht setzt, der bekommt die begehrte Lehrstelle, den tollen Job eben nicht. Demut und Freundlichkeit sind da eher hinderlich. Aber wer anderen immer nur mit Härte und toller Selbstdarstellung begegnet, der muss sich nicht wundern, wenn man ihm auch nur so entgegenkommt. Ich bin jedenfalls davon überzeugt, dass Sanftmut und Freundlichkeit die Welt ein bisschen besser machen.


Am Wochenende habe ich dazu in der Zeitung eine Studie gelesen, nach der Kinder, die an Gott glauben, eher bereit sind anderen Menschen zu helfen, von ihrem Taschengeld zu spenden und Mobbing verabscheuen. Leider stand dort nicht erklärt, wie das kommt. Aber im Predigttext finde ich einen Hinweis: „Als die Auserwählten Gottes, als Heilige und Geliebte“, so redet der Apostel Paulus die Gemeindeglieder in Kolossa an. Wer sich als etwas Besonderes fühlt, weil er auserwählt ist, weil er weiß, dass er geliebt wird, braucht das nicht mehr gegenüber seinen Mitmenschen mit aller Gewalt deutlich machen. Ein Auserwählter hat ja schon eine besondere Stellung. Und wer geliebt wird, der kann auch selber Liebe verschenken.


Nun mag so mancher hier einwenden: „Ja, aber davon spürt man im Leben so wenig!“ oder auch: „Das hilft einem auch nicht weiter, wenn’s einem dreckig geht!“ Wohl war, denn mit dem Glauben ist das so eine lebenslange Sache. Der Glaube ist leider nicht wie eine Jacke passend von der Stange zu kaufen. Man muss sie sich ein Leben lang selber schneidern. Hier im Konfirmandenunterricht habt ihr dazu den Stoff und vielleicht noch das Nähgarn erhalten, entwerfen, zuschneiden und nähen müsst ihr selber. Und dann wird die Jacke vielleicht nicht passen und ihr müsst Änderungen vornehmen, vielleicht auch später ein Stück Stoff hineinsetzen, weil sie zu eng geworden ist. Und vielleicht wird die Jacke auch irgendwann Flicken haben, weil sie gerissen ist oder Löcher bekommen hat. Das ist nicht schlimm, denn so ist das mit dem Glauben, er ist nie fertig und er ist manchmal auch harte Arbeit. Ich habe das in dem vergangenen Jahr erlebt, in dem mein Mann so schwer erkrankte, dass er einen Tag vor dem Heiligen Abend verstarb. In dieser Zeit war ich manchmal an dem Punkt, dass ich mir nicht vorstellen konnte jemals wieder auf einer Kanzel zu stehen, geschweige denn Konfirmanden etwas vom Glauben zu erzählen. Aber in aller Verzweiflung und auch Wut habe ich gemerkt, dass allein mein Glaube an einen Gott, der mich hört, wenn ich ihn beschimpfe und mit ihm ins Gericht gehe, mich weitermachen lässt. Es hat mir sehr geholfen, dass ich meinen ganzen Zorn und meine ganze Verzweiflung bei diesem Gott abladen konnte. Und ich habe gemerkt, dass er mir mehr als sonst freundlich entgegenkommt, indem mir Menschen geholfen haben mit dieser Situation fertig zu werden, von denen ich das vorher nicht vermutet habe.


Ja, meine Jacke „Glauben“ hat nun ganz viele Flicken und sieht wohl auch ganz anders aus als vor einem Jahr noch. Allerdings ist das nicht schlimm. Das ist bei Gott wohl anders als bei den Menschen: Hier bei uns ist ein zerrissenes, geflicktes Kleidungsstück (sofern es nicht eine stylische Jeans mit Rissen ist) ein Zeichen für Armut. Bei Gott hingegen ist so eine zerrissene, vielfach geflickte und immer wieder umgenähte Glaubensjacke ein Zeichen für Reichtum und ich bin mir sicher, dass er sie liebevoller ansieht als jedes Designerjäckchen. Denn es ist euer ganz persönliches Stück.


Und die Liebe Gottes, die höher ist als all unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen


Pfarrerin Martina Lembke-Schönfeld

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