Himmelfahrtspredigt 29.05.2014

Predigt Himmelfahrt 2014: Gnade sei mit Euch von Gott, unserem Vater, und unserem Herrn und Bruder Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde!


Himmelfahrt – das ist wohl nach Pfingsten das christliche Fest mit dem die wenigsten Christen etwas anfangen können. Es ist ein Frühlingsfest, fast schon Sommer, und so finden in vielen Gemeinden Gottesdienste im Freien statt. Aber die meisten Menschen machen an diesem Tag doch lieber ein paar Tage Urlaub, weil es ein langes Wochenende ist oder wenigstens einen Ausflug. Viele Männer begehen an diesen Tag auch den sogenannten „Vatertag“, meist im Rudel mit reichlich Alkohol.


Aber was feiern wir Christen eigentlich an Himmelfahrt? Klar, Jesus ist in den Himmel aufgefahren, wir haben es eben in der Schriftlesung gehört. Ich habe mir als Kind immer so eine Art Paternoster, wie im Lüner Rathaus vorgestellt, in den er eingestiegen ist und dann gen Himmel fuhr. Der Ausdruck Himmelfahrt drückte irgendwie für mich aus, dass es dazu ein wie auch immer geartetes Gefährt geben muss. Aber was passiert denn nun eigentlich an Himmelfahrt?


Am Karfreitag wurde Jesus gekreuzigt; für die Jünger brach eine Welt zusammen. Ihr Rabbi und Meister war tot; ein Ende all ihrer Hoffnungen und Wünsche. Dann drei Tage später kommt neue Hoffnung auf; Jesus lebt – er ist auferstanden von den Toten und er zeigt sich ihnen mehr als einmal. Er lehrt sie weiterhin, so als müsse er noch zu Ende bringen, was er vor seinem Tod nicht geschafft hat. Er bereitet sie quasi auf ein Leben als seine Nachfolger vor. Auf ein mündiges, eigenständiges Weitergeben seiner Botschaft. Und dann nach vierzig Tagen fährt er auf gen Himmel. Für die Jünger muss das ein erneuter Schock gewesen sein: Gerade hatten sie sich darauf eingerichtet, dass alles gut weitergeht und der Auferstandene vielleicht doch noch die Herrschaft als König Israels an sich reißen würde, da ist er wieder weg. Aber gab es denn eine andere Möglichkeit? Nach der Auferstehung von den Toten konnte Jesus ja keine zweites Mal sterben, dass hätte seine Auferstehung ja ad absurdum geführt. Und hier auf der Erde konnte er ja auch nicht auf alle Zeiten bleiben; er musste zu seinem Vater auffahren, damit die Menschen auf der Erde leben konnten.

Damit man die Himmelfahrt begreifen kann, möchte ich mit ihnen über den Himmel nachdenken.


Ich liebe den Himmel. Nein, nicht den religiösen Himmel; über den weiß ich zu wenig, da muss ich mich auf den Glauben verlassen. Ich liebe den ganz irdischen Himmel, der sich über mir und allen anderen auf der Erde wölbt. Der keine Grenzen hat und überall gesehen wird. Den maßlos weiten, über den klein und silbrig, ganz hoch oben, die Flugzeuge flitzen. Das Himmelreich der Vögel, Spielwiese der Mücken an Sommerabenden. Die blaue Seide im Frühling, vor der sich die Magnolie wiegt. Den Himmel, der sich am Abend sanft rötet, und den mit den Flügeln der Morgenröte. Den Himmel der Wolkentürme an heißen Sommertagen kurz vor dem Gewitter. Ja, und auch dieses weinerliche Tuch der Regentage, das auf’s Gemüt schlägt. Der Nachthimmel mit seinen Sternen: Gepriesen sei er. Was täte und wäre ich ohne diesen Himmel über mir? Was wäre die Erde ohne diesen Himmel? Eine öde Wüste.


Kein Wunder, dass dieser Himmel auch zum Thron Gottes geworden ist! Wohin denn sonst sollte man das Göttliche denken, wenn nicht in diesen Himmel? Dem Zugriff des Menschen entzogen seit den Zeiten des missglückten Turmbau zu Babel – und doch da. Und wir modernen Menschen sind nicht wirklich reicher geworden, als wir beschlossen haben, dass dieser Himmel nur etwas für Vögel, Wetterfrösche und Astronauten sei. Manchmal überlisten wir uns selbst und singen: Schaue den Himmel mit meinem Gesicht. Und sind uns im Stillen bewusst, dass diese Himmelsschau viel mehr meint als die Vergewisserung, ob es regnet oder nicht.


In diesen Himmel ist Jesus aufgefahren. So haben es die Menschen mit den Augen ihres Glaubens und ihres Weltbildes gesehen. Und wir geben ihrem Glauben neue Worte: In diesen unendlichen Raum, in diese Reinheit und Transparenz, in dieses Licht, in dieses Umfassende, die Erde Umarmende. In dieses Blau, die Farbe der Transzendenz und des Glaubens. Zu diesem Ort der Sehnsucht und Schwerelosigkeit. Dahin wo Gott thront. Wohnen kann Gott auch überall sonst, aber thronen in unverhüllter Klarheit und Schönheit kann er nur in diesem Himmel.


Jesus hat die Erdenschwere abgelegt und hat auch das Erdenschwere hinter sich: das Angreifbare, das Leid, den Tod. Das Leben in der Zeit und der Vergänglichkeit. Himmelfahrt ist die Chiffre für eine Überwindung, für einen Übertritt in eine andere Form des Daseins. Ja, es ist überhaupt der Schritt in ein DA-Sein, in eine Gegenwart, die niemals mehr zur Vergangenheit wird. Er ist zugegen wie der Himmel. ER ist allem nah wie der Himmel, ist erreichbar für alle, gehört uns allen – und wir alle zu ihm.


Denkbar wäre freilich auch das andere: Himmelfahrt als Chiffre für radikalen Entzug, für Weltflucht, für eine Fahrt zurück zum Vater, weil man den Sohn nicht hat mitspielen lassen, sondern ihn herumgeschubst und dann ausgestoßen hat. Himmelfahrt als Bild für radikalen Liebesentzug. Denkbar wäre es, aber es passt nicht. Passt nicht zu diesem Sohn, nicht zu dem, was die Evangelien über ihn erzählen. Es passt auch nicht zu diesem Vater. Der hat seinem Volk Israel zwar oft mit Liebesentzug gedroht und ihn hin und wieder auch praktiziert, aber durchgehalten hat er ihn nie. Ein wunderbar inkonsequenter Vater, überwindbar durch die eigene Liebe! Himmelfahrt ist keine Chiffre für das Abwenden, sondern für das Zuwenden und Ankommen. Für grenzenlose Treue zur Erde, zu uns. Für Erreichbarkeit. Ja, Jesus Christus ist >i.R.< - nicht etwa ein Retter und Erlöser „im Ruhestand“, sondern einer „in Reich- und Rufweite“.


Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


Die Predigt enthält einen Text von Oda-Gebine Holze-Stäblein, Landessuperintendentin i.R. aus „Andere Zeiten“ Heft 2/14

Pfarrerin Martina Lembke-Schönfeld

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