Gemeindebrief für Oktober/November 2020

Der neue Gemeindebrief liegt zum Download bereit.

Herbst

Ursprünglich bedeutet Herbst:

„Ernte“. Jetzt ernten wir, was die Natur hervorgebracht hat. Wir ernten auch, was unser Leben gebracht hat, am Ende des Lebens überhaupt und an jedem seiner Abschnitte am Ende eines Tages, einer Woche, eines Jahres, wie auch am Ende einer Aufgabe, eines Projektes, einer Ausbildung.

Tief verbunden mit dem Ernten ist der Dank. Wir feiern das Erntedankfest als Dank für die Ernte. Dank ist das tiefe Empfinden, dass wir all das, was wir ernten, nicht durch uns selbst schaffen, sondern es uns von Gott her zufällt. So ist es auch mit unserem Leben. Niemand kann sich selbst das Leben geben. Wir verdanken uns selbst immer schon Gott.

Jetzt färben sich die Blätter in der ganzen Fülle der Farben. Es ist fast so, als würde alles, was sie in ihrem Leben erfahren haben, sich in diesen Farben widerspiegeln. Die Blätter sind Symbol auch für die Farben unseres Lebens, für all die Erfahrungen und Erlebnisse, das Schöne und Schwere unserer Lebenszeit.

Bald werden die Blätter welk und fallen. Fallen, wie im bekannten Herbstgedicht von Rainer Maria Rilke beschrieben:

Die Blätter fallen, fallen wie von weit, … Wir alle fallen. ... Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält.

Ob das Blatt sich fürchtet, wenn es an einem Herbsttag zu Boden trudelt und langsam in der Erde stirbt?

Vielleicht aber erinnert es sich beim Fallen dankbar an all das Grün, Rot und Gelb, das ihm während seiner Zeit am Baum mitgegeben war. Vielleicht kann es sagen: Das Leben war schön und atemberaubend bunt.

Und wir? Können wir uns im Lebensherbst dankbar fallen lassen, dankbar für all die schönen Erlebnis- und Ereignisfarben, die wir im Laufe des Lebens geerntet haben?

Was geht und was bleibt, wenn wir Abschied nehmen? Die Blätter haben den Baum ernährt, sind in ihm zu Hause, haben etwas bewirkt. Wenn sie die Äste verlassen und zum Erdboden zurückkehren, nähren sie die Bäume weiter.

Baum und Blätter wissen, dass sie sich einst wiedersehen. Sicherer Ort – von Generation zu Generation im ewigen Kreislauf der Schöpfung, nicht ohne den Schmerz, der dem Geborenwerden wie dem Sterben innewohnt.

Wir Christinnen und Christen vertrauen darauf: Wir können nie aus Gottes Hand fallen. Seine Hand trägt uns während des Lebens und in seine Hand fällt dieses Leben endlich auch wieder zurück.

Pfarrer Andreas Bader

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